Halle - Ludwig-Wucherer-Straße 28 - Malereien in den Wohnräumen (Auszug aus dem bauhistorische Gutachten/ Erstellt von der ProDenk GmbH)
Die Ausstattung der Räumlichkeiten unterschied sich von Stockwerk zu Stockwerk. So war das 4te OG im Vorderhaus zur Bauzeit eher als 2te Klasse zu bezeichnen. Im Gegensatz zum heutigen Trend möglichst weit oben wohnen zu wollen, am besten mit Aufzug und Dachterrasse waren die Räumlichkeiten in den oberen Etagen mangels Aufzug eher einer nicht so zahlungskräftigen Schicht vorbehalten.
Die besseren Herrschaften residierten meist in den ersten 3 Stockwerken, bevorzugt im ersten Stock. Dementsprechend gab es die schönsten und aufwendigsten Decken- und Wandmalereien grundsätzlich in allen Gebäuden im ersten und zweiten Stock. Oft reduziert sich die Qualität schon im 3en Stockwerk und noch weiter oben waren die Ausführungen meist einfacher oder ganz „ohne“.
Analog dazu verhielt sich die Angelegenheit bei Ausführungen in Stuck. Allerdings gibt es in der LuWu 28 keine Befunde von Stuck. Im Vorderhaus wurden vom ersten bis zum dritten Stock an den Wänden bauzeitliche Tapeten nachgewiesen. Im vierten Stock wurden sehr einfache bauzeitliche Bemalungen der Wände gefunden.
Bei den ersten einfachen Befunduntersuchungen wurden an den Decken nur rudimentäre Reste festgestellt. Aus der Erfahrung bei der Sanierung anderer Denkmäler wurden allerdings nochmals ein Restaurator extra damit beauftragt, gezielt alle Decken im Vorderhaus gründlich abzusuchen.
Der Aufwand hat sich gelohnt. Es wurden zwar oft nur schwache und schlecht erkennbare Fragmente entdeckt. Mit der langjährigen Erfahrung der Kunstmaler und dem Einsatz von digitalen Computerprogrammen durch die ProDenk, welche die Rekonstruktionen am Computer vorgenommen hat, konnten einige Rekonstruktionen erfolgreich vorgenommen werden.
Die Räumlichkeiten im vierten Geschoß hatten dagegen mit hoher Sicherheit keinerlei Bemalungen an den Decken, da sich unter mehreren Farbschichten noch die erste Farbschicht auf originalem Putz bei der Sanierung befand.
Beispiel: Vorderhaus – drittes Stockwerk - Wohnung links
Im Vorderzimmer rechts im 3 OG der linken Wohnung wurden einige Fragmente von Malereien gefunden. Die Befundung war allerdings so schlecht und unvollständig, daß eine komplette Rekonstruktion als unwahrscheinlich galt. Vom Zentralmotiv waren nur Strichreste vorhanden. In den vier seitlichen Ausläufern der Grundstruktur gab es gar keinen Befund. Dafür gab es eine überraschend gute Variante des Eckmotives, welches dazu motivierte die Rekonstruktion der Decke nicht aufzugeben.
Also wurde zuerst die Rekonstruktion des Zentralmotives in Angriff genommen. Wenn diese gelingen sollte, dann wäre auch die restliche Decke unter Hinzuziehung von Ergänzungen machbar.
Da im Innenbereich des Motives nicht einmal mehr Strichreste erkennbar waren, mußte bei der Rekonstruktion mit ergänzenden Motiven gearbeitet werden. Da es glücklicherweise bauzeitliche Funde von Tapetenresten aus den Räumlichkeiten gibt, war es naheliegend, Anlehnungen aus diesen Motiven zu nehmen. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist es auch der richtige und akzeptable Ansatz, originale Motive aus dem gleichen Räumen zu integrieren.
Da es sich bei der Decke nicht um eine Ausbesserung, sondern um eine Neubemalung handelt, welche von einem Künstler von heute mit eigenem Stil ausgeführt wird, darf die Neubemalung als „neues“ Kunstwerk betrachtet werden, welche auf der maximal möglichen Rekonstruktion des Originals beruht. Somit ist den denkmalpflegerischen Aspekten bestmöglich entsprochen. Dem bauzeitlichen Original des Hauses wird mit dieser Vorgehensweise hervorragend entgegengekommen und der bereits teilweise verloren gegangene ursprüngliche Charakter des Hauses wieder hergestellt
Zu dem Entstehungsprozeß von dem Foto zur fertigen Vorlage für den Kunstmaler wurde ein kurzes Video erstellt:
Was in den bisherigen Beschreibungen noch nicht zur Sprache kam ist die händische Rekonstruktion. Bei eigentlich allen Befunden wurde zuerst eine vergrößerte Version ausgedruckt. Auf diesem Ausdruck werden mit Bleistift dann die ersten Nachzeichnungen erkennbarer Strukturen vorgenommen. Durch die intensive Beschäftigung mit den Details und der langen Erfahrung können dann fehlende Strukturen durch „Verbinden“ und „Deutung“ von Stückchen meist zu sinnvollen Teilen ergänzt werden.
Es ist dabei normal, daß die ersten Nachzeichnungen verworfen werden, da bei der gesamtheitlichen Betrachtung kein gutes Ergebnis erzielt wurde bzw. es „einfach“ nicht paßt. An die fehlenden Teile „tastet“ man sich sozusagen durch Trial und Error heran. Dabei spielt die Erfahrung bei der Rekonstruktion eine wichtige Rolle, damit vor allem stilistisch ein korrektes Ergebnis erzielt wird.
Erst danach beginnt die aufwendige Arbeit der (Nach-) zeichnung am Computer. Vorteil ist hier, daß fertiggestellte Teile beliebig kopiert, gedreht und zusammengesetzt werden können. Auch kann mit dem Zeichenprogramm aus den Fotos an etlichen Stellen Farbproben genommen werden, mit welchen dann die Ornamente wieder gefüllt werden. Auch hier bieten sich dann durch div. Farbfilter und die Programmtechnik unendliche Möglichkeiten in kurzer Zeit etliche Farbanpassungen im Detail vorzunehmen.
Vorderhaus – 3 OG – Wohnung links – straßenseitiges Zimmer außen – Außenband Befund
Letzte und vollständigste Version der Nachzeichnung per Hand auf einem Ausdruck
Endergebnis nach etlichen gestalterischen Versuchen und Anpassungen, erstellt mit Gimp2
Zu dem Entstehungsprozeß von dem handübermalten Foto zur fertigen Vorlage für den Kunstmaler wurde ein kurzes Video erstellt:
Sämtliche Innenlinien des Motives werden von einem kleinen Band umschlossen. Dieses ist meist vergleichsweise einfach gestaltet, wie auch in diesem Fall. Der Befund war für eine Rekonstruktion ausreichend.
Vorderhaus – 3 OG – Wohnung links – straßenseitiges Zimmer außen – Innenliegendes Begleitband farblos - Befund
Rekonstruktion des innenliegenden Bandes mit Farbanpassungen mit Gimp2
Zu dem Entstehungsprozeß von dem Foto zur fertigen Vorlage für den Kunstmaler wurde ein kurzes Video erstellt
Glücklicherweise wurde ein insgesamt sehr gut erhaltenes Eckmotiv gefunden und freigelegt. Da dieses Motiv in seiner Ausführung als außergewöhnlich schön und gelungen empfunden wurde, hat dieses den Anstoß für die Rekonstruktion der gesamten Decke ausgelöst. Besonders wichtig: Durch diesen Befund konnten die Farben auch der ansonsten weitgehend farblosen Befunde rekonstruiert und angepaßt werden.
Vorderhaus – 3 OG – Wohnung links – straßenseitiges Zimmer außen – Eckmotiv - Befund
Rekonstruktion des Eckmotives mit Gimp2 Dieses Motiv hat entscheidend zur Farbbestimmung aller Ornamente an dieser Decke beigetragen.
Zu dem Entstehungsprozeß von dem Foto zur fertigen Vorlage für den Kunstmaler wurde ein kurzes Video erstellt:
Das Motiv in den vier seitlichen Ausläufern der Grundstruktur wurde aus den bauzeitlichen Tapeten entnommen, da es keinen Befund an der Decke gab. Bei dieser Decke wurde als einzigem Raum in dem Gebäude die originalen Rundungen zwischen der Decke und den Außenwänden wieder hergestellt. Das Deckenmotiv zieht sich auch wie im Original nachgewiesen über die Rundung auf die Wände. Der Übergang ist hier durch eine dünne Linie angedeutet. Das Außenband befindet sich somit nicht mehr an der Decke, sondern an den Wänden. Traumhaft schön :)
Rekonstruktion der Gesamtdecke mit Gimp2
Zu der digitalen Rekonstruktion aus den einzelnen erarbeiteten Bestandteilen zu der kompletten Decke wurde ein kurzes Video erstellt: